Ich habe neulich gelesen, dass Ayahuasca gerade in der Elektro-Szene und beim urbanen Feiervolk das angesagte Ding ist. Sollen sie schreiben. Ich war am Wochenende tief im Spessart, in einem kleinen Dorf am Wald, in einem schmucken Reihenhäuschen. Hier wohnt Bert mit seiner Frau Ernie. Bert ist promovierter Psychologe, hat lange in der Depressions-Forschung gearbeitet und ist einer der großen Psychonauten Deutschlands. Bert und seine Frau bieten Reisen an – Reisen in die Seele, über die Grenzen des Universums hinaus und zu den eigenen Schatten.

Ich habe mich zu einem Ayahuasca Wochenende angemeldet; im Angebot waren auch Pilze, LSD, MDMA und St. Petro. Als ich am Nachmittag ankomme, ist der Gruppenraum schon voll; drei Paare und ein Einzelreisender haben schon ihre Plätze eingenommen. Ich beziehe meine Matte in der Ecke neben der Küche. Der Raum ist klein, aber liebevoll Dekoriert.

Bert begrüßt alle Gäste, gibt eine kurze Einweisung, was Ayahuasca sein kann – vielleicht nicht das, was du willst, aber im besten Falle genau das, was du brauchst. Bert versucht nicht, einen indigenen Schamanen zu simulieren, setzt keine bunte Mütze auf, schwingt keine Rassel. Die Basis seiner Arbeit ist Neurophysiologie, gemischt mit großem Respekt vor allen Spirits und Wesen.

Du brauchst viel Vertrauen und Respekt, um dich Ayahuasca zu nähern. Das wird nicht weniger, wenn du es öfter machst. Eher im Gegenteil. Aber Leute, die zum ersten Mal Kontakt mit dieser Intelligenz haben, fahren vor allem auf das DMT ab, das halluzinogene Tryptamin-Alkaloid, euphorisch auch als Gottes-Molekül bezeichnet – Visionen und Bilder sind eine gute Währung in unserem stark visuellen Zeitalter.

-Hast du was gesehen?

-Ja, die Schlange war da.

-Oh, wie toll, die Schlange.

Wo Ayahuasca ist, da ist die kosmische Schlange nicht fern. Aber das Visuelle ist nur ein kleiner Teil von dem, was der bittere Trunk zu bieten hat. Bei allen indigenen Völkern, von Peru bis hoch nach Kolumbien, ist das Synonym für Aya Medicina – immer die weibliche Form. Ayahuasca ist eine Heilerin. Und als Erstes heilt dich die Medizin von der Illusion des Getrenntseins – Ich und Welt, Körper und Geist, Gestern und Morgen. Alles Eins. Und was immer der Geist erfährt oder sieht – erst wenn es der Körper erlebt und durchgearbeitet hat, erfährt er im spirituellen Sinne ganzheitliche Heilung.

Die Schamanen Perus und Kolumbiens tun alles, um ihre Patienten zum Kotzen zu bringen. Der Schmerz, die Wut, die Ignoranz, das Gift muss raus, muss physisch raus aus deinem System, damit der Körper erfährt und glauben kann, dass er geilt wurde. Wir haben so sehr gelernt, uns zurückzuhalten, zu unterdrücken, dass wir ganz verkrampft und vergiftet sind.

Du findest es zum kotzen?

Ja! Lass es raus, Baby, vertrau es dem Eimerchen an und sei dankbar dafür!

Mein Eimer ist voll. Bert nimmt ihn mir ohne ein Wort aus der Hand und bringt ihn weg. Danke. Bert ist klein und drahtig, seine Gelassenheit füllt den Raum. Bert und Ernie, zwei Riesen des Mitgefühls, irgendwo in Deutschland. Ich bin dankbar dafür, wieder verbunden worden zu sein. Ich bin dankbar für dieses unscheinbare Haus am Hang. Ich bin sogar dankbar für die unendliche Flötenmusik.

Nein, Ayahuasca ist keine Partydroge und keine Modeerscheinung für erlebnisgeile Großstädter. Es ist ein lebendiges Sakrament, das schon lange in den Städtern, Dörfern und Tälern quer durch Deutschland zuhause ist.

Wie steht es schon in den Apokryphen: Alles was Dunkel ist muss ans Licht, damit es selbst Licht wird.

In diesem Sinne: Lass das Eimerchen leuchten!

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