Kurz vor der Wahl sind alle dafür. Die italienischen Faschisten fordern mehr europäische Solidarität. Die FPÖ in Österreich schafft sich selbst ab. Die AfD will nicht mehr aus der EU austreten. Nach dem britischen Brexit-Gewürge ist das Thema selbst hartleibigen Nationalisten nur noch schwer zu verkaufen.

Und sonst so? Die üblichen Verdächtigen gehen mit einem beinharten Europa-Wahlkampf ins Rennen. Das ist schon an den pointierten Slogans der einzelnen Parteien raus zu lesen. CDU: Mut zum weiter so! Der dazugehörige Kandidat ist für alles, aber nicht so sehr. Die gleiche Haltung, aber irgendwie solidarischer, wird von der SPD vertreten – messerscharf zugespitzt von der sozialdemokratischen Spitzenfrau: Europa ist irgendwie total gut! Da halten die Grünen mit Bienen und der Forderung nach „Ponyhof für alle!“ dagegen. Weil es so schöne Folklore ist, sind alle gegen Atomkraftwerke, auch wenn neue Reaktoren die alten Probleme beheben würden. Es gibt einfach noch zu viele Autos mit „Atomkraft- nein Danke!“ Aufklebern auf deutschen Straßen. Wer macht schon Werbung gegen die Beschränktheit der eigenen Zielgruppe? Die FDP will sich und die Europäische Kommission mal wieder gesund-schrumpfen. Was sich noch Links und Rechts so im Bundestag rumdrückt, ist prinzipiell dagegen, weil.

Europawahl mit den Bundestagsparteien kommt mir vor wie eine Veranstaltung des mittleren Managements, das über die Abschaffung des mittleren Managements abstimmen soll. Natürlich sind alle für schlankere, durchlässigere Strukturen und mehr Gemeinsamkeit. Aber nicht bei ihnen. Das mittlere Management lebt davon, dass es sich wichtig macht, aufbläht und Probleme erfindet, die es ohne sie nicht gäbe. Schöne Phrasen aus dem mittleren Management sind „man muss die Menschen mitnehmen“ oder „wir warnen vor Überforderung.“ Warnen ist das Lieblingsmotiv des mittleren Managements – da macht man nichts falsch. Läuft es schief, wurde es vorher gewusst, läuft es gut, redet man nicht mehr drüber.

Weil ich auf alle Fälle wählen gehen will, aber denen, die in den letzten Jahren das gegenwärtige Europa gebaut haben, keine Veränderung zutraue, habe ich mich bei den Kleinparteien umgesehen. Die 5% Hürde wurde ja für die Europawahl außer Kraft gesetzt. Also kommt rein, was sonst am Türsteher der Demokratie abperlt. Das muss man als Chance begreifen.

Natürlich gibt es jede Menge gute Gründe, „die Partei“ zu wählen. Der Wahlwerbespot ist jedenfalls radikal politisch, die Slogans (Besser als nix!) griffig und Martin Sonneborns Reden gehören zum Besten, was das europäische Parlament in den letzten Jahren gehört hat. Auch das Programm der Humanisten gefällt mir gut. Im punkto Säkularisierung sind wir ja auf halbem Weg stehen geblieben und die schleichende Renaissance des Religiösen gefällt mir ganz und gar nicht.

Ich werde dieses Jahr aber VOLT wählen – mir gefällt der gesamteuropäische Ansatz, ich teile die Vision eines Bundesstaates Europa und große Teile des Programmes. Die Meinung müsst ihr nicht teilen, aber es diese Wahlen geben uns die Chance, neue Akteure zu wählen und Veränderung vom Rand ins System zu tragen.

Also bitte: Wählt neu, wählt ungewöhnlich, aber wählt!

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