Ich habe den ganzen Tag mehr oder weniger kichernd verbracht, habe meine Mitreisenden umarmt, Kokoswasser getrunken. Jedem, der kam, habe ich bei Lyla, der entzückenden Verkäuferin im Tempel-Kramladen, eine frische Nuss spendiert.
Ich habe meine Unterhosen gewaschen und war im Weiher schwimmen. Das Wasser war warm und weich. Dave sprang und planschte wie ein Wilder, seine Schwester Maxine und ich machten einen auf erwachsen. Daves Gesicht war plötzlich sichtbar geworden. Es blühte. Noch gestern war es hinter Bart und Haaren versteckt. Heute erzählt er mir von seiner Musik, die er macht, von der Jagd nach Wildschweinen und dass sein Vater ein Hanfbauer ist – wie sein Großvater; eine Australische Marihuana Dynastie! Was für ein großartiger Knabe, noch so jung! Leider ist Sharing erst nach der letzten Nacht der Trinity. Ich hätte soviel zu erzählen.
Die dritte Nacht: Ich habe meine Eltern geheilt; meinen Vater weicher gemacht, den Herzraum meiner Mutter geöffnet. Danach saß ich auf meiner Matte, mein Körper brummte vor Energie, ich spürte meinen Bruder neben mir, genoss unser stilles Zusammensein. Später schaute ich mir meine Hände, meine Arme, meine Fäuste an. Alles war voller Kraft. Ich sah, wie sie durch meine Adern floss. Ich verwandelte mich in einen Lizard, bewegte mich wie ein Lizard, fühlte wie ein Lizard, wie ein Waran, ein großes, sehr altes Tier. Ich genoss es, nicht zu denken, sondern nur zu fühlen. Die Ikaros waren wie Sonnenstrahlen, die mich wärmten und mir die Energie gaben. Ich wollte ihnen so nahe wie möglich sein. Ich konnte spüren, wie die Schamanen sich freuten, dass ihre Arbeit auf so dankbaren Boden fiel, spürte ihre Hände auf mir, ihr Lachen um mich herum. Ich begriff, warum wir Augen haben. Früher hatte ich geglaubt, sie seien ein Zeichen der besonders hohen Entwicklung. Aber im Prinzip sind sie Instrumenten der Vereinfachung. Die Welt besteht aus so unendlich vielen unterschiedlichen Energiemustern und Schwingungen, dass wir in dieser Komplexität strecken geblieben wären, uns nicht hätten weiter entwickeln können, wenn uns nicht Augen gewachsen wären, mit denen wir die Komplexität auf die scheinbare Oberfläche reduzieren konnten. Sich weiter zu entwickeln, das war eindeutig unsere Aufgabe.
Alles ist gleichzeitig – jedes Gefühl, jeder Gedanke, jede Möglichkeit.
Ich wiege meinen Kopf und brumme so laut, dass Caro rüberkommt und mich bittet, etwas leiser zu sein. Als ob ich das beeinflussen könnte! Cora und ich fallen kichernd um. Kichern und größter Ernst sind auch gleichzeitig!
Ich will noch mehr Medizin. Ich will noch einen Schritt weitergehen. Ich spüre, dass noch Arbeit zu tun ist. Also mache ich mich auf in der Maloka auf die Suche nach Nachschub. Mehr geht immer! Ich werde weitergereicht, sitze in der Mitte bei den Schamanen, weiß gerade nicht, wer es ist. Ich spüre aber, dass mein Gegenüber auch total auf Aya ist. Es dauert eine Weile, bis alle Fragen geklärt sind; heiliger Unernst und – bei allem Einssein – schwierige Kommunikation in der physischen Welt.
Als ich mich durch die Dunkelheit der Maloka zu meiner Matte zurücktaste, trete ich in meine Kotzschüssel. Ist das eklig! Ich versuche sauber zu machen, aber es gelingt mir nicht. Ich richte nur noch mehr Schlamassel an. Die Göttin will mir was zeigen. Sie zeigt mir, dass ich es alleine nicht hinkriege und sie zeigt mir, dass es nicht schlimm ist. Aquiles kommt, um mir ein Ikaros zu singen. Ich berichte ihm von meinem Malheur. Er kichert nur kurz und fängt an zu singen. Ich liebe Aquiles Ikaros, sie sind so wunderschön, weil ich als Mann die Zärtlichkeit eines Mannes selten zu spüren bekomme.
Später saß ich mit meiner Taschenlampe auf dem Holzboden der Maloka und das Team säuberte meine Matratze, brachte alles wieder in Ordnung. Wie muss sich Uta in all den Jahren gefühlt haben, denke ich, in denen sie, von der Krankheit aller Energie beraubt, nicht in der Lage war, ihr Leben selbst zu bestimmen? Das spüre ich. Ich spüre mich aber gleichzeitig auch ganz großartig unterstützt und geschützt.
Als ich wieder auf meiner Matte sitze und mich wie frisch Gewickelt fühle, wird mir bewusst, wie selten ich in meinem Leben und zuhause um Hilfe und Unterstützung gebeten habe. Es muss hart sein mit jemandem zusammen zu leben, der seinen Scheiß immer alleine machen will und immer sagt: Bin okay, danke, alles gut.
Am Arsch.
Die letzte Nacht der Trinity – was für Trips durch Raum und Zeit! Ich habe mich vergiftet gefühlt, mir selbst verziehen, einen massiven Download erfahren, mich als Teil der Evolution begriffen und verstanden, dass es okay ist, um Hilfe zu bitten. Sie ist am nötigsten, wenn es peinlich ist.
Ich bin müde.