„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Das Zitat von Saint-Exupéry ist durch wie ein alter Kaugummi, wird auf Postkarten und Kaffeetassen gedruckt. Es lohnt sich trotzdem, tiefer in das spirituelle Konzept einzutauchen, die unter diesem Zitat liegt. Es führt zum schamanischen Sehen.

Auf dem ca. 650 Millionen Jahre langen Weg vom Einzeller zum Menschen, sind uns die Augen erst relativ spät aus dem Hirn gewachsen. Aber seit dem fahren wir völlig auf das Sehen ab. Wir vertrauen zuerst und am liebsten unseren Augen, die uns eine verlässliche Welt präsentieren. Alles solide, manifest: Ein Haus, ein Baum, die Straße. Deshalb überziehen wir die Erde mit Licht, machen die Nacht zum Tag, vertrauen keinem Sinnesorgan mehr, als unseren Augen, produziere Bilder, als gäbe es kein Morgen: Ich habe es gesehen!

Nur das Böse wohnt noch im Dunklen und manchmal beschleicht uns eine Ahnung, dass da noch mehr ist.

Wenn eine Fähigkeit dominant wird, ziehen sich andere Fähigkeiten zurück, werden überlagert, werden unbewusst.

Wenn wir anfangen, uns wieder für das Schamanische Sehen zu öffnen, beginnen wir, unsere Sinne für eine andere, sehr viel ältere Form des Spüren und Sehens zu öffnen – z.B. mit dem Herzen, mit dem komplexen Nervengeflecht unseres Solar Plexus, mit der gesamten Intelligenz unseres Körpers, mit dem Limbischen System. Weil wir es ohne Hilfe nicht schaffen, die Gewohnheit des „rationalen Sehens“ zu überwinden, hat die Natur uns eine große Anzahl wunderbarer Lehrerpflanzen zur Verfügung gestellt. Egal mit welcher du arbeitest, ob z. B. Pilze, St. Petro oder Ayahuasca, eigen ist allen, dass sie dich für ein anderes Sehen, für andere Wirklichkeiten öffnen, das gelernte Weltbild erschüttern und dir andere Welten zeigen.

Was passiert?

Unsere Welt verliert ihre Solidität, ihre Oberfläche öffnen sich, Räume legen an Dimensionen zu, Zeitebenen verschmelzen und wir stehen plötzlich auf dem schwankenden Grund unserer fragilen Existenz.

Wenn du zum Beispiel mit Ayahuasca arbeitest, dann schickt die Pflanze deinen Neocortex, den großen Zensor, erstmal für eine Weile in die Pause. Ohne diesen großen Filter sieht die Welt plötzlich ganz anders aus – Kaskaden von Farben stürzen vielleicht auf Dich ein, du „siehst“ plötzlich die Bewegung, die Dynamik, die in allem Sein ist. Du erfährst in Deinem Körper, dass nichts getrennt existiert.

Es ist nicht immer einfach, sich darauf einzulassen. Das Hinschauen will ausgehalten werden; das neue Sehen macht Angst und kann unser Verständnis von unserem Dasein bis ins Mark erschüttern. Ehrlich: das soll es auch. Der „Heilige Schrecken“ ist ein fester Bestandteil alter Zeremonien, Initiationsriten und Heilrituale. Genau deshalb bist du ja auf dieser Reise – um erschüttert zu werden, dass Dir die Synapsen schlackern und Dir der Staub der Gewohnheit aus System geblasen wird.

Von den Lehrern, die du auf diesem Weg in andere Wirklichkeiten triffst, gibt es manche, die noch der schwarzen Pädagogik angehören – sie packen dich, erschüttern dich, prüfen dich. Sie geben Dir Informationen, die nicht einfach zu verstehen und noch schwerer zu verdauen sind. Spätestens wenn Du spürst, dass Du den Raum, den Du Deinen Körper nennst, mit anderen Wesen teilst, dass deine DNA ein offenes Buch ist, ganze Universen in Dir zuhause sind, dann wird dein Ego nicht mehr das Gleiche sein.

Die großen Navigatoren, auf die Du Dich immer verlassen kannst und die Dich sicher wieder nach Hause bringen, sind Vertrauen und Hingab – die beiden Schutzengel der Liebe.

Schamanisches Sehen, Halluzinationen, sind keine Flucht. Sie sind ein mutiger Weg zum Überwinden der Egozentrik, der Zivilisationskrankheit des Getrenntseins.

Augen zu und los.

Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.